Hallo zusammen!
So lange gibt es diesen Blog ja dann noch nicht, deshalb bin ich umso begeisterter, bereits 1000+ Besucher zu verzeichnen. Ich weiß, für diejenigen von Euch, die auch selbst bloggen, sind das vermutlich nur Peanuts, mich freut es aber dennoch sehr ;)
Für diese Woche muss ich allerdings eine schlechte Nachricht ankündingen - Ihr habt es Euch ja sicher schon gedacht: ich komme diese Woche leider nicht dazu, einen neuen Artikel zu posten. Weil das ja letzte Woche um ein Haar auch schon passiert ist, möchte ich mich deshalb entschuldigen, aber Zeitmangel und dergleichen lassen es diese Woche leider nicht zu.
Aus diesem Grund möchte ich für die Zukunft die Termine für den wöchentlichen Beitrag auf Freitag verschieben, was mir ein wenig mehr Zeit verleihen wird, mit meinem Geschreibsel zwischen Universität und Leben fertig zu werden.
Ich hoffe, Ihr seht es mir nach.
Mit besten Grüße,
ein verplanter Wirrkopf ;)
Willkommen
Willkommen in der Weltenschmiede
Freitag, 31. Mai 2013
Samstag, 25. Mai 2013
Ausgelatschte Pfade - oder: Fantasy-Klischees III
Ähem, also ... es ist noch Samstag!
Heute kommen wir dann endlich zum Final meiner Liste der größten Fantasy-Klischees. Es folgen die Plätze Vier bis Eins. Viel Spaß.
In
der Fantasy steht nicht selten die Rettung der Welt im Vordergrund –
so ausgelutscht der Plot auch ist -, dabei dient die Bedrohung
oftmals nur dazu, den Protagonisten durch eine Reihe von festgelegten
Hindernisparcours zu schicken, an deren Ende der Dunkle Lord ihn
erwartet.
Im
Grunde handelt es sich hierbei um eine Art Meta-Klischee unter dem
eine Reihe eng verwandter Klischees zusammengefasst werden können.
Ich möchte es trotzdem separat erwähnen, weil mit dieser
Handlungsstruktur oftmals das ganze Genre pauschal gleichgesetzt
wird: Timmy rettet die Welt und wird auf dem Weg dahin vom
Dünnbrettbohrer zum Helden in strahlender Rüstung. Mehr noch, er zieht sogar von Anfang an mit dem expliziten Ziel aus, das jeweils angebrachte Armaggedon-Equivalent aufzuhalten.
Unvermeidbar
sind dabei Dunkle Lords, Lehrmeister und magische Waffen/Plotcoupons.
Anstatt persönliche Geschichten zu erzählen, wird oftmals eine
Checklist abgearbeitet, die als ausreichender Ersatz für
Charakterentwicklung (oder Handlung als Abfolge von Aktion und
Reaktion) aufgefasst wird.
Ich
wünsche mir für das Genre weniger Weltenretterplots und mehr
Geschichten, die von Charakteren und Entscheidungen getrieben werden
oder aus den Lebensumständen von Personen hervorgehen. Weniger
Dunkle Lordstm und mehr menschliche Abgründe. In einem
ausreichend komplexen Handlungsuniversum wird schnell deutlich, wie
wenig Sinn Weltenrettung überhaupt macht. Wenn es keine klaren
Grenzen zwischen Gut und Böse gibt, wer soll dann was vor wem
retten? Und weshalb? Und von welcher Welt reden wir eigentlich? Vom
ganzen Planeten oder nur von der Lebenswelt eines Volkes – und
welche Perspektiven auf die Rechtfertigung all der Taten des Helden
eröffnet dies?
Erzählt
von den Konflikten zwischen Personen, zwischen Ländern, wenn es sein
muss, aber macht die Bedrohungen menschlich, nicht übernatürlich.
Götter und Dämonen, die die Welt zerstören wollen, sind nicht halb
so interessant wie gut gemachte Handlungen um Politik, Blutfehden
oder auch Religion und Glaube.
Ganz
davon abgesehen, dass besagte Dunkle Lords selten sinnvolle Motive
besitzen.
Und:
Wenn die Welt gerettet werden soll, warum dann vor magischer
Zerstörung durch einen Dunklen Lordtm? Ich wünsche mir,
jemand würde eine Geschichte über magische Umweltverschmutzung
schreiben, die das Ende der Welt hervorzubringen droht. Eine Art
Fantasy-Ökothriller. Das wär doch mal was!
Platz 3: Yin und Yang, Licht und Dunkel, Gut und Böse, Ödnis und Einfallslosigkeit
Fantasywelten sind oftmals einfach aufgebaut. Soweit nichts Neues. Ebenfalls nicht neu ist, dass ich das - gelinde gesagt - für Schade und - ehrlich gesagt - für langweilig halte.
Ich will hier aber gar nicht wieder in meinen Singsang von meinem Traum der "Menschlichkeit von Handlung und Charakteren" verfallen. Die Einteilung einer Welt in Gut und Böse, auch mit den gelegentlich kosmetisch applizierten Akzenten aus weniger eindeutigem Grau (obwohl es niemals wirklich Grau ist), ist mir ein Dorn im Auge und sollte weniger Verwendung finden, als sie tut.
Kommen wir lieber dazu, wie Gut und Böse oftmals präsentiert werden.
Nicht nur, dass Gut und Böse als moralische und tatsächliche Absolute gehandelt werden, meist ist schon von der ersten Begegnung an deutlich, wer zu welcher Fraktion gehört (außer beim obligatorischen Spion oder Verräter, der jedoch nicht selten trotzdem etwas "schlangenhaftes" hat). Orks sind hässlich, Elben schön; böse Menschen dumm und dreckig, wer hingegen in eine strahlende Rüstung gekleidet ist, dem vertrau man schonmal ungefragt sämtliche PIN-Codes an.
Absurd wird es dann, wenn die moralische Wertung in die Grundzüge der Welt eintritt erhält. Sicher, die Menschen glauben vielleicht, dass sich böse Seelen in einem Schattenreich und gute auf ewig grünen Wiesen wiederfinden, wenn sie über den Jordan gegangen sind. Aber muss sich das auch bewahrheiten? Ich will gar nicht fragen, woher die Menschen ihr sicheres Wissen eigentlich haben. Aber rein logistisch: wie bitte wird ausgewertet? Was ist böse? Taten oder Konsequenzen?
Mit der Frage wird sich selten auseinandergesetzt, stattdessen wird mit moralischen Idealen um sich geworfen, die außerhalb von kantscher Theorie nicht viel verloren haben sollten.
Sagte ich eben etwas von "absurd"? Aufgepasst, es wird absurder, wenn wir uns ansehen, wie unterschiedlich die Taten "Guter" und "Böser" Charaktere bewertet werden. Timmy schlachtet in seiner Abenteurer-Laufbahn, quasi auf dem Weg zur Fortbildung zum Weltenretter, knapp dreihundert Stadtwachen, Soldaten und Priester des Bösen ab, von Orks und dergleichen ganz zu schweigen, aber weil er zu den "Guten" gehört, wiegen seine Taten weniger schwer als die des Kommandanten der Stadtwache, der Aufständische in einem Versuch, die Ordnung aufrecht zu erhalten, hängt, aber leider das Pech hat, im Dienst des Bösen Königs zu stehen?
So sehr ich das Klischee auch hasse, gibt es glücklicherweise genug Autoren, die vernünftig mit den moralischen Fragen ihrer Welten umgehen. Wer ein Paradebeispiel für eine erschreckend graue Welt lesen will und für komplizierte Moral, die selten aus einer anderen Perspektive Sinn macht, als aus der des jeweils handelnden, dem seien Joe Abercrombies Bücher ans Herz gelegt.
Ich will hier aber gar nicht wieder in meinen Singsang von meinem Traum der "Menschlichkeit von Handlung und Charakteren" verfallen. Die Einteilung einer Welt in Gut und Böse, auch mit den gelegentlich kosmetisch applizierten Akzenten aus weniger eindeutigem Grau (obwohl es niemals wirklich Grau ist), ist mir ein Dorn im Auge und sollte weniger Verwendung finden, als sie tut.
Kommen wir lieber dazu, wie Gut und Böse oftmals präsentiert werden.
Nicht nur, dass Gut und Böse als moralische und tatsächliche Absolute gehandelt werden, meist ist schon von der ersten Begegnung an deutlich, wer zu welcher Fraktion gehört (außer beim obligatorischen Spion oder Verräter, der jedoch nicht selten trotzdem etwas "schlangenhaftes" hat). Orks sind hässlich, Elben schön; böse Menschen dumm und dreckig, wer hingegen in eine strahlende Rüstung gekleidet ist, dem vertrau man schonmal ungefragt sämtliche PIN-Codes an.
Absurd wird es dann, wenn die moralische Wertung in die Grundzüge der Welt eintritt erhält. Sicher, die Menschen glauben vielleicht, dass sich böse Seelen in einem Schattenreich und gute auf ewig grünen Wiesen wiederfinden, wenn sie über den Jordan gegangen sind. Aber muss sich das auch bewahrheiten? Ich will gar nicht fragen, woher die Menschen ihr sicheres Wissen eigentlich haben. Aber rein logistisch: wie bitte wird ausgewertet? Was ist böse? Taten oder Konsequenzen?
Mit der Frage wird sich selten auseinandergesetzt, stattdessen wird mit moralischen Idealen um sich geworfen, die außerhalb von kantscher Theorie nicht viel verloren haben sollten.
Sagte ich eben etwas von "absurd"? Aufgepasst, es wird absurder, wenn wir uns ansehen, wie unterschiedlich die Taten "Guter" und "Böser" Charaktere bewertet werden. Timmy schlachtet in seiner Abenteurer-Laufbahn, quasi auf dem Weg zur Fortbildung zum Weltenretter, knapp dreihundert Stadtwachen, Soldaten und Priester des Bösen ab, von Orks und dergleichen ganz zu schweigen, aber weil er zu den "Guten" gehört, wiegen seine Taten weniger schwer als die des Kommandanten der Stadtwache, der Aufständische in einem Versuch, die Ordnung aufrecht zu erhalten, hängt, aber leider das Pech hat, im Dienst des Bösen Königs zu stehen?
So sehr ich das Klischee auch hasse, gibt es glücklicherweise genug Autoren, die vernünftig mit den moralischen Fragen ihrer Welten umgehen. Wer ein Paradebeispiel für eine erschreckend graue Welt lesen will und für komplizierte Moral, die selten aus einer anderen Perspektive Sinn macht, als aus der des jeweils handelnden, dem seien Joe Abercrombies Bücher ans Herz gelegt.
Platz 2: Der Dunkle Lordtm
Abbildung ähnlich, Batterien nicht enthalten - Copyright: New Line Cinema |
Ein
Schatten bedroht die Welt. Auf seinem Thron aus den Knochen der
Gefallenen sieht der Schattenkönig auf das Friedliche Landtm
hinab, das er zu unterjochen gedenkt, weil …
Ja,
warum eigentlich? Viele Fanatsy-Fieslinge sind bei näherer
Betrachtung erstaunlich motivationslos. Der Dunkle Lord will die Welt
erobern, weil das zu seiner Stellenbeschreibung gehört oder er ist
wahnsinnig oder das Böse selbst.
Viele
Fantasy-Antagonisten fallen in die Kategorie des Dunklen Lords, womit
ihre Charakterisierung scheinbar abgeschlossen ist – dabei hat sie
nicht einmal stattgefunden. In ihren Reihen tummeln sich mächtige Magier, magische Untote, Blut- und Todesgötter oder gar gefallene Engel, wenn man bei der Erstellung der Weltmythologie gerade mal nicht ganz so viel Bock hatte. Manche haben eine Art Hintergrundgeschichte, aber viele sind bloß Pappaufsteller mit schwarzem Anstrich, rotglühende Augen optional.
Wie sehr Autoren mit derartiger Einfallslosigkeit ihrem eigenen Plot wehtun, fällt den meisten nicht einmal auf, dabei ist der Antagonist eines der wichtigsten Element in der Handlung. Denn: So wichtig es ist, sich mit dem Protagonisten einer Geschichte identifizieren zu können, behaupte ich, es ist noch wichtiger, die Aktionen des Antagonisten nachvollziehen zu können. Warum tut er, was er tut? Oder, falls das das Mysterium im Zentrum der Geschichte zu wenig mysteriös machen würde: was sind seine Charakterzüge? Oder anders: warum muss es überhaupt einen Dunklen Lord geben? Weil Tolkien einen hatte? Was ich von dieser Begründung halte, dürfte sich inzwischen jeder zusammenreimen können. Folgen dieser Auffassung sind gesichtslose Finstermänner wie Robert Jordans Dunkler König (im Original: The Dark One; I kid you not), die die Welt aus dieser oder jener Motivation heraus zerstören wollen, die entweder nur dürftig, oder gar nicht näher erklärt wird. Warum sollte ich mich dafür interessieren, dass Noruas, Herr der Armbänder und Silberkettchen, die Welt zerstören will? Ich lebe ja nicht in ihr. Wenn der Leser die Bedrohung nicht im Text selbst spürt, nicht nachvollziehen kann, was hier gerade aus welchem Grund passiert, tanzt auch der letzte Hauch von Spannung bald auf der Hochzeit zwei Häuser weiter.
Wie sehr Autoren mit derartiger Einfallslosigkeit ihrem eigenen Plot wehtun, fällt den meisten nicht einmal auf, dabei ist der Antagonist eines der wichtigsten Element in der Handlung. Denn: So wichtig es ist, sich mit dem Protagonisten einer Geschichte identifizieren zu können, behaupte ich, es ist noch wichtiger, die Aktionen des Antagonisten nachvollziehen zu können. Warum tut er, was er tut? Oder, falls das das Mysterium im Zentrum der Geschichte zu wenig mysteriös machen würde: was sind seine Charakterzüge? Oder anders: warum muss es überhaupt einen Dunklen Lord geben? Weil Tolkien einen hatte? Was ich von dieser Begründung halte, dürfte sich inzwischen jeder zusammenreimen können. Folgen dieser Auffassung sind gesichtslose Finstermänner wie Robert Jordans Dunkler König (im Original: The Dark One; I kid you not), die die Welt aus dieser oder jener Motivation heraus zerstören wollen, die entweder nur dürftig, oder gar nicht näher erklärt wird. Warum sollte ich mich dafür interessieren, dass Noruas, Herr der Armbänder und Silberkettchen, die Welt zerstören will? Ich lebe ja nicht in ihr. Wenn der Leser die Bedrohung nicht im Text selbst spürt, nicht nachvollziehen kann, was hier gerade aus welchem Grund passiert, tanzt auch der letzte Hauch von Spannung bald auf der Hochzeit zwei Häuser weiter.
Selbst
Sauron, der oftmals als Rechtfertigung für Dunkle Lords aus
Reihenfertigung angeführt wird, ist komplexer, die Geschichte seiner
Verführung durch Melkor tief mit der restlichen Geschichte der
Mittelerdes verwoben.
Besonders nervig wird es für mich dann, wenn die perfiden Pläne des Schwarzen Gottes der Vernichtung und Steuererklärung noch so kreativ ausfallen, die Helden - allen voran Timmy - ihm aber immer wieder entkommen. Dadurch wirkt selbst der finsterste aller finsteren Leichenlords dann nur noch wie ein beliebiges Hindernis auf dem Weg, das zum Zweck gerade passender Scheinspannung mal wieder in den Vordergrund gezerrt wird.
Besonders nervig wird es für mich dann, wenn die perfiden Pläne des Schwarzen Gottes der Vernichtung und Steuererklärung noch so kreativ ausfallen, die Helden - allen voran Timmy - ihm aber immer wieder entkommen. Dadurch wirkt selbst der finsterste aller finsteren Leichenlords dann nur noch wie ein beliebiges Hindernis auf dem Weg, das zum Zweck gerade passender Scheinspannung mal wieder in den Vordergrund gezerrt wird.
Persönlich
finde ich andere Arten von Antagonisten interessanter. Glen Cooks
Lady ist zwar auch eine mächtige Magierin, aber sie ist bei weitem nicht das Schlimmste in der düsteren Welt der Black Company. Noch ist sie wirklich böse. George R.R. Martins große Anzahl menschlicher Monster ist weitaus
unangenehmer zu lesen als alle Galbatorixe der Welt. Und Guy Gavriel
Kay bringt es fertig, Brandin, den großen Gegenspieler der
Protagonisten in Tigana, als
den wohl sympathischsten und nachvollziehbarsten Charakter im ganzen
Buch darzustellen, dessen Motive und Taten - so schrecklich sie auch seien mögen - nie ohne Grund sind.
Ich wünsche mir für
das Genre weniger Schattenkönige und mehr Brandins, mehr Ladys und,
ja, auch mehr Joffreys.
Kommen wir zum großen Abschluss, dem Finale, dem Höhepunkt! Es wurde vorausgesagt, dass es so geschehen soll - und es geschieht auch so, mein
Während ich bei der Aufstellung der Liste mehr als einmal schwere Entscheidungen treffen musste und ich mit der Position dieses oder jenen Platzes dann doch nicht ganz so zufrieden bin, hatte ich von Anfang an keine Zweifel, was letztlich zuoberst auf dem Siegertreppchen stehen würde. Eigentlich zwei einzelne Klischees,
die aber so eng verwoben sind, dass sie selten unabhängig
voneinander auftreten: die Prophezeiung und der Auserwählte als stotternde Motoren der großen Abenteuer von Timmy in Nullachtfünfzehnstan.
Warum
verlässt unser Held sein Heimatdorf? Weil er der prophezeite
Weltenretter ist – was für eine Frage! Warum lässt der Dunkle
Lord alle Neugeborenen umbringen, die in der Nacht der
Wintersonnenwende geboren wurden? Weil ihm prophezeit wurde, dass
eines der Kinder ihn zu Fall bringen wird. Warum sucht alle Welt (oder alternativ eine kleine Gruppe eingeweihter) nach den Steinen der Macht? Weil prophezeit wurde, dass sie den Fall des Dunklen Lords herbeiführen können. Warum kommt die Handlung
überhaupt in Gang? Weil am Anfang eine Prophezeiung stand.
Dieses
Klischee trifft man vor allen Dingen in der High Fantasy oder der
epischen Fantasy an, in denen das Ziel des Protagonisten in der Regel
die Rettung der Welt ist oder die Entthronung eines bösen Königs,
und ist oft als Antwort auf die implizierte Frage gedacht, warum
geschehen die Dinge, die die Handlung erfordert?
Überspitzt
gesagt (aber nicht sehr), ist eine Prophezeiung eine einfallslose
Abkürzung, ein Mittel, das von außen an eine Situation oder einen
Charakter herangeführt wird um ihn agieren zu lassen, anstatt seine
Aktionen (und damit die Handlung) aus der Persönlichkeit oder den
Umständen des Charakters erfolgen zu lassen. Nicht selten ist der
Protagonist zugleich der Bauernjunge als auch der Auserwählte, der
als einziger die Welt vor der Vernichtung bewahren kann. Dabei fällt die kausale Kette schnell in sich zusammen, wenn man sie nur richtig anstuppst und ein wenig am Lack kratzt. Die Argumentation dreht sich nicht selten im Kreis: Warum muss der Protagonist sein
Heimatdorf verlassen? Weil prophezeit wurde, dass er die Welt retten wird. Warum
ausgerechnet er? Weil er der Auserwählte ist. Warum ist er der
Auserwählte? Weil es prophezeit wurde.
Die
Handlung entsteht nicht, weil die Umstände sie hervorbringen,
sondern weil eine Kräuterhexe vor tausend Jahren zu tief ins Glas –
Pardon! - in die Kristallkugel geschaut hat.
Prophezeiungen
machen besonders wenig Sinn, wenn man sich anschaut, wie viel Zeit
zumeist vergangen ist, seit sie ausgesprochen/niedergeschrieben
wurden. Heutzutage bereitet Historikern schon ein Text Probleme, der
vor zweihundertfünfzig Jahren in einer damals üblichen Variante
einer heutigen Sprache oder in fremdartiger Handschrift verfasst
wurde, aber irgendwie bleibt die Prophezeiung über einen größeren
Zeitraum verständlich genug um ein kleines Dorf im Nirgendwo
ausfindig zu machen? Der Wortlaut ändert sich nie? Teile der
Prophezeiung gehen nie verloren? Es gibt Ewigkeiten lang Menschen,
die es irgendwie schaffen, die Prophezeiung weiterzugeben, obwohl der
Dunkle Lord wenig unversucht lässt um sie auszurotten? Obwohl keine Universitäten oder Bibliotheken in der Welt existieren? Obwohl Timmys Dorf eine halbe Weltreise und vierzehn Sprachzonen vom Ursprungsort der Prophezeiung entfernt ist? Und wieso
macht der Dunkle Lord so oft erst dann Jagd auf den Protagonisten,
wenn der alt genug ist um zu reisen? Ich dachte, die Prophezeiung ist uralt? Noch dazu, wenn die Texte vieler mühsteriöööser Prophezeiungen so klar zu interpretieren sind, wie der der Tagesspruch in einer x-beliebigen Tageszeitung? Wo wir dabei sind: Wieso sollte die Prophezeiung überhaupt
stimmen?
Viele
dieser Fragen werden entweder nie beantwortet oder der Autor winkt
bloß ab und nuschelt etwas von „Magie“ oder „Schicksal“.
Das Problem ist dabei auch, dass wir keinen ausgereiften Charakter präsentiert bekommen, in dessen Entwicklung schließlich deutlich wird, warum ausgerechnet er der langerwartete Messias ist. Stattdessen setzt man den Lesern Timmy McNaive vor und erwartet, dass seine Rolle bei der Rettung der Welt glaubhaft wird, weil vor einer halben Ewigkeit gerade ein Magier zur Hand war um eine Vision zu empfangen.
Das Problem ist dabei auch, dass wir keinen ausgereiften Charakter präsentiert bekommen, in dessen Entwicklung schließlich deutlich wird, warum ausgerechnet er der langerwartete Messias ist. Stattdessen setzt man den Lesern Timmy McNaive vor und erwartet, dass seine Rolle bei der Rettung der Welt glaubhaft wird, weil vor einer halben Ewigkeit gerade ein Magier zur Hand war um eine Vision zu empfangen.
Natürlich
können auch mit diesem Klischee einige interessante Spielchen
getrieben werden, aber selten klappt das so richtig. Selbst in Harry
Potter habe ich die Augen
verdreht, als auf einmal eine Prophezeiung ins Spiel kam, auch wenn
J.K. Rowling ihr Handwerk gut genug versteht um die meisten
Fallgruben dieses Klischees zu umgehen.
Um es noch einmal zu
betonen: Eine gute Handlung sollte niemals von außen an die
Lebenswelt der Charaktere herangetragen werden und immer der
Geschichte und den Motivationen der Charaktere selbst entspringen. Zu
sagen, „es gibt eine Handlung, denn sie wurde prophezeit“, ist
faul und einfallslos und nur wenige Autoren besitzen genug Talent und
Erfahrung um von dieser Ausgangslage aus tatsächlich Neues zu
erzählen.
So, das war sie, die Liste der Fantasy-Klischees, die meiner Meinung nach im Hinterhof erschossen und tief vergraben gehören - oder zumindest mit einem großen Maß an Introspektion verwendet werden sollten. Ich hoffe, das Lesen hat Euch allen Spaß bereitet, ich habe mich beim Schreiben jedenfalls nicht gelangweilt.
Nächste Woche geht es dann weiter, vermutlich wieder irgendwann zwischen Donnerstag und Samstag.
So, das war sie, die Liste der Fantasy-Klischees, die meiner Meinung nach im Hinterhof erschossen und tief vergraben gehören - oder zumindest mit einem großen Maß an Introspektion verwendet werden sollten. Ich hoffe, das Lesen hat Euch allen Spaß bereitet, ich habe mich beim Schreiben jedenfalls nicht gelangweilt.
Nächste Woche geht es dann weiter, vermutlich wieder irgendwann zwischen Donnerstag und Samstag.
Montag, 20. Mai 2013
Ausgelatschte Pfade - oder: Fantasy-Klischees II
Zuerst einmal möchte ich mich entschuldigen, dass es der aktuelle Eintrag mit derartiger Verspätung an den Start geht, aber die Uni hat mich diese (also vergangene) Woche stärker in Anspruch genommen als erwartet. Deshalb wird sich wohl auch diese Woche der letzte Teil der Serie auf Freitag oder Samstag verschieben. Ich hoffe, ihr könnt mir das nachsehen.
Viel Spaß beim zweiten Teil der Fantasy-Missliste.
Platz 8: Die Gefährten, oder: Auf Reisen mit Schablonen
Viel Spaß beim zweiten Teil der Fantasy-Missliste.
Platz 8: Die Gefährten, oder: Auf Reisen mit Schablonen
Oreganor, Froda, Gumli und Gandalfine? - Copyright: Wizards of the Coast |
Unser
Held plus Lehrmeister gelangen früher oder später an einen Punkt, an
dem sie alleine nicht mehr voran kommen. Unterstützung muss her.
Nun,
daran ist ja erst mal nichts schlecht. Aber auch hier schlägt
oftmals der Klischeeteufel zu, sobald dem Autoren auffällt, dass die
Weltenrettung zu zweit nicht funktionieren wird. Bald hat sich eine
multikulturelle Gruppe zusammengefunden, die in ihrem Bestreben, den
Plot … Verzeihung, ihre Aufgabe zu Ende zu führen, geeint gen
Dunklerlordistan strebt. Aber nicht immer haben die einzelnen
Charaktere eine wirkliche Motivation, die gleichen Ziele zu
verfolgen wie der Hauptcharakter. Nein, oft haben sie überhaupt
keine Motivation und die Heldengruppe ist nur eines der weiteren
Elemente, die aus dem Herrn der Ringe kopiert werden. Tolkien hat
schließlich eine bunte Truppe an Frodos Seite gestellt, wer also in
seine Fußstapfen treten will, muss auch eine haben. Und Gimli &
Co. brauchten ja schließlich auch keine Motivation, richtig?
Nicht
so ganz. Denn, was gerne mal vergessen wird – wie so oft, wenn man
sich unreflektiert an angeblichen „Genrestandards“ orientiert:
Jedes einzelne Mitglied der Gefährten hatte eine Motivation, Frodo
zu folgen.
Sicher,
bei vielen ist es nicht mehr als Treue zu Frodo (Sam und Gandalf
etwa), aber das ist immer noch hundert Prozent mehr als die meisten
anderen Standardfantasy-Gefährten vorzuzeigen haben.
Dabei
täten Autoren gut daran, sich lieber Gedanken um komplexe,
eigenmotivierte Charaktere zu machen, als eine Liste abzuarbeiten,
bis von „Magier“ bis „Zwerg“ überall ein Häkchen gemacht
wurde.
Warum
folgt Charakter X dem Helden? Warum sollte Elfenkrieger Y Interesse
daran haben, einen Bauernjungen und einen bärtigen Landstreicher bis
ans Ende der Welt zu begleiten?
Und
davon ab: wieso immer Elfen, Zwerge und dergleichen? Fantasy
fasziniert nicht dadurch, dass bekannte Elemente bis zur
Unkenntlichkeit immer wieder durchgekaut werden, sondern, dass der
Leser neue, unbekannte Welten erforscht. Denkt darüber nach, welcher
der Charaktere, denen der Protagonist auf seinem Weg begegnet, sich
überhaupt als Gefährte eignet und – bitte! - lasst diese
Charaktere aus anderen Antrieben handeln als blinder Verehrung für
den Helden oder einer Selbstlosigkeit, um die sie Mutter Theresa
beneiden würde.
Platz 7: Kämpfe
Ohne Worte - Copyright: 20th Century Fox |
Kämpfe sind Teil der meisten Fantasygeschichten und ich will sie auch gar nicht verbannen - obwohl ich Geschichten bevorzuge in denen der Protagonist nicht im Minutentakt Orks durch den Laubhäcksler dreht.
Aber
wie mit so vielen anderen Dingen, an denen ich hier so Anstoß nehme,
sind Kämpfe – auch wenn sie Stoßstange an Stoßstange folgen –
wieder mal etwas, um das sich viele Autoren zu wenig Gedanken machen.
Nur weil es Fantasy ist, heißt das nicht, dass Recherche außen vor
gelassen werden kann.
Klar,
niemand kann mal eben nachschlagen, wie so ein Duell zwischen Magiern
aussehen muss, aber es gibt genug Handbücher und Youtube-Videos, die
einen Eindruck über den Kampf mit verschiedenen Waffen vermitteln.
Gerade im Zeitalter des Internets sollte es für Niemanden ein zu
großer Umstand sein, einfach mal Genosse Google anzuwerfen.
Denn
auch in der Fantasy gibt es eine Reihe von Regeln zu beachten, wenn
es um kämpferische Auseinandersetzungen geht.
Wozu
dient welche Waffe? Kann ich mit einem Schwert blocken? (Antwort: Ja,
aber nicht allzu oft.) Welchen
Einfluss haben Rüstungen auf die Bewegungsfreiheit?
Außerdem
sind solche Recherchen hilfreich, um einen Autoren zurück auf den
Boden der Tatsachen zu holen. Denn schnell wird klar, dass kein noch
so begabter Krieger (oder gar Timmy) gegen zwanzig Assassinen
bestehen kann. Oder nach einem Treffer mit einem Streitkolben
lustig umherspringen. Oder sein Schwert werfen und damit treffen.
Oder mit einem Zweihänder in Innenräumen mit etwas anderem Erfolg
haben, als die Bilder von den Wänden zu holen.
Zu
dieser Art der Recherche gehört dann auch, sich über Arten von
Verletzungen zu informieren. Und das ist dann wiederum Wissen, dass
auch für den Kampf unter Magiern nützlich ist: Was macht der Körper
nach einem Blitzschlag oder einer Verbrennung, wie schnell kann
jemand verbluten, was bricht Pseudo-Gandalf sich, wenn der
Freiflugzauber plötzlich versagt?
Platz 6: Der Völker-Zoo
by aizo |
Obwohl seit „Der Herr der Ringe“ einige Zeit ins Land gezogen ist, die eigentlich neuen Ideen ermöglichen sollte ans Licht zu treten, stirbt die Idee der tolkienesken Völker als Must-Have für das Genre nicht den Alterstod, den sie verdient hätte. Woran das liegt, kann ich nur vermuten: Wie einige andere Elemente aus dieser Liste scheint die Vielvölkerei Mittelerdes oftmals unreflektiert übernommen zu werden, weil – D'uh! - es ist ja keine Fantasy, wenn keine Elfen auftauchen. Oder Orks. Oder Zwerge. Drachen. Halblinge. …
Und
irgendwie scheint es sogar noch gut anzukommen, wie beispielsweise
der Erfolg von Eragon erahnen lässt.
Pauschal
habe ich eigentlich nichts gegen etablierte Fantasy-Völker. Aber
selten unternimmt ein Autor etwas interessantes mit dem Konzept, denn
wer Tolkiens Elben kennt, kennt Paolinis oder Salvatores. Ausnahmen
bilden nette Experimente wie Markus Heitz Die Orks, aber
schon Die Zwerge
beweist, dass mit einem ausgetretenen Konzept nun mal nur begrenzt
viel angefangen werden kann. Hinzu kommt, dass die meisten
Fantasy-Völker intern keinerlei Unterschiede aufzuweisen scheinen:
Elfen sind groß und schön und magisch und mögen die Natur, Zwerge
tragen Bärte und trinken Bier, wenn sie sich nicht gerade
gegenseitig die Köpfe mit Äxten einschlagen. Orks gibt es in ebenso
vielen Variatonen, aber während einige Autoren zumindest einen Hauch
von Anstand besitzen und ihnen andere Namen geben – Robert Jordan:
Trollocs; Christopher Paolini: Urgals – sind sie so austauschbar
wie alle anderen Völker.
Warum
also nicht eigene Völker kreieren? Nordische Mythologie
hat mehr zu bieten als spitze Ohren und lange Bärte. Nun, zumindest
als spitze Ohren.
Oder
man lässt die fremden Völker gleich einfach ganz weg und
konzentriert sich auf den Menschen, auf Menschlichkeit, Politik,
persönliche Geschichten. Ein
großartiges Beispiel dafür sind Glen Cooks Black Company
Bücher. Die Welt in der sie
spielen ist fremdartig und von allerlei Getier bevölkert, das einer
äußerst kreativen Phantasie entsprungen ist – aber Menschen sind
(beinahe)
die einzigen intelligenten Lebensformen und die
Handlung ergibt sich aus dem Zusammenspiel vieler menschlicher
Faktoren. Und Magiern. Vielen, mächtigen Magiern.
Platz 5: Magie
Ja, richtig gelesen, Magie ist für mich ein überholtes Fantasyklischee.
Magier aus Werksverkauf - Copyright: Dragonlance |
Ja, richtig gelesen, Magie ist für mich ein überholtes Fantasyklischee.
Aber
halt! Nicht gleich Mistgabeln und Fackeln rausholen.
Prinzipiell
habe ich nichts gegen Magie, schließlich ist sie ein integraler
Bestandteil der meisten Fantasygeschichten und zwar zu Recht.
Oftmals macht sie den kleinen Unterschied zwischen unserer
Welt und Mittelerde/Westeros/Fantasyland aus. Mein erstes Buch hat einen
Zauberer als Hauptcharakter und ich kann nicht behaupten, dass Magie
eine zu vernachlässigende Rolle spielt.
Trotzdem
plädiere ich dafür, weniger Magie – besonders von Individuen
kontrollierte – in Handlungen einzubinden. Zum einen hilft das,
realistische Charaktere in den Vordergrund zu rücken. Zum anderen
kann es eine Herausforderung sein, dem Plot an Engpässen nicht durch
magische Tricks auf die Sprünge zu helfen. Ein Kampf ist spannender,
wenn kein Heiler bereit steht, Wunden durch Handauflegung zu
beseitigen, genau so wie Böses, das nicht als untoter Magier oder
seelenfressender Dämon daherkommt, sondern in der Gestalt von
(gewöhnlichen) Menschen. Das perfekte Beispiel, wie effektiv so
etwas sein kann, ist meiner Meinung nach in Pratchetts „Die
Nachtwache“ zu finden. Die „wahren Bösen“ - soviel sei gesagt,
ohne zu viel zu verraten – sind keine mächtigen Magier oder Lenker
im Hintergrund, sondern kleine Leute, die, aus welche Motivation auch
immer, Verwaltungsarbeiten erledigen, ohne ihre Rolle zu
hinterfragen. Vertraut mir, es ist spannender als es klingt.
Ich
bin nicht gegen Magie per se, denke aber, dass es dem Genre nicht
schaden könnte, wenn Autoren ihre Helden durch andere Mitteln am
Leben erhalten müssen, als durch magische Intervention. Vielleicht
können sie die Protagonisten sogar gar nicht retten, wenn nicht im
rechten Moment Erzmagier Convenius zur Verfügung steht – siehe
George R.R. Martins „Das Lied von Eis und Feuer“. Martins Setting ist nicht frei von Magie, aber sie spielt bestenfalls eine untergeordnete Rolle.
Wenn
es aber Magie gibt, dann sind ein paar Grundregeln zu beachten. Die lauten in etwa:
1.
Es muss überhaupt Grundregeln geben. Magie darf nie übermächtig
sein, sonst geht jeder Hauch von Spannung flöten. Sie darf vor allem nicht dazu dienen, ALLES zu tun, soll heißen, sie muss in Grenzen operieren. Dazu später mehr.
2.
Die Grundregeln müssen zu jedem Zeitpunkt eingehalten werden. Wenn
im ersten Kapitel etabliert wurde, dass Magier nur Heilen können,
indem sie die Wunden ihrer Opfer auf sich nehmen, kann der
Magier-Protagonist es nicht überleben, im Finale den tödlich
verwundeten König zu retten.
3.
Magie muss Limitierungen unterliegen. Klingt im ersten Grunde wie
Punkt 1, kann aber nicht oft genug betont werden: Magie, die im
Grunde nichts anderes als ein Eingreifen des Autoren ist, erstickt
den Plot und seine Gefahren in der Krippe. Wenn der Held aber dann
doch ein kleines magisches Wunder vollbringt, dann darf es bitte
nicht aus dem Nichts kommen. Wenn vorher nie erwähnt wurde, dass ein
mächtiger Magier mit einem Opfer seines eigenen Blutes für einen
Moment ein Tor in den Himmel öffnen kann, damit heiliges Licht alle
Untoten und Dämonen vernichtet, sollte die finale Konfrontation
besser nicht auf diese Weise aufgelöst werden.
4.
Die Helden sollten nie die mächtigste Magie haben. Sicherlich eine
Meinungssache, aber wenn der Held jeden Feind mit Fingerschnippen von
der Bühne fegt, folgt die Spannung meist direkt nach.
5. Magie sollte nie das erste Mitteln zur Lösung von Problemen sein.
Nächste Woche: die Plätze 4 bis 1.
Donnerstag, 9. Mai 2013
Ausgelatschte Pfade - oder: Fantasy-Klischees I
Als
langjähriger und begeisterter Fantasyleser habe ich inzwischen
eine lange Liste der Dinge gesammelt, die mir sauer aufstoßen, wenn
sie auch nur angedeutet werden. Bei den meisten handelt es sich um
bequeme Plotcoupons oder Ausschnitte aus dem
Drechsel-dir-deine-Fantasygeschichte-zusammen-Bastelbogen, die so
oder in ähnlicher Art schon tausendmal verwendet wurden und
vermutlich auch schon besser. Trotzdem sind sie irgendwie nicht
totzukriegen und abseits weniger Ausnahmen finden sie sich vor allen
Dingen in der Art von Fantasy-Literatur, derer ich mich am liebsten
mit Weihwasser und Napalm entledigen würde.
Was
nun folgt, ist eine kleine „Hitliste“ - oder Missliste? - der am stärksten
überstrapazierten Fantasy-Klischees in drei Teilen. Dabei soll es
sich in erster Linie um relativ abgegrenzte Beispiele handeln,
Überschneidungen bleiben aber nicht aus. Der erste Teil folgt diese Woche, der Rest dann nächste und übernächste.
Ich habe nicht nur eine einfache Aufzählung vorgenommen, sondern auch Beispiele und Vorschläge geliefert, wo das Klischee selbst nicht die Wurzeln allen Übels ist, sondern die Art, wie Autoren es verwenden.
Nachdem
der Lehrmeister den Bauernjungen mit Versprechungen von Abenteuer und
Macht aus dem Dorf geholt hat, brechen sie auf. Zweihundert Seiten
lang reisen sie durch die Lande, in denen der Autor keine Chance auslässt,
jeden Quadratmeter mit vor Adjektiven triefender Beschreibung zu
pflastern, keine Gelegenheit versäumt, die Geschichte der
Königreiche und der Welt zu erklären, wann immer eine Ruine oder
auch nur ein alter Backstein aus der Vegetation ragt. Natürlich gibt
es auch Hinterhalte, aber meistens passiert nicht wahnsinnig viel und
keiner der Orte, die dem Leser präsentiert werden, spielen
irgendwann nochmal eine Rolle.
Wenn
Lehrmeister und Bauernjunge (nennen wir ihn Timmy) an ihrem Ziel
ankommen, ist die Rast meist nur von kurzer Dauer, denn schon geht es
weiter um dem Bösen am Schicksalberg Einhalt zu gebieten.
Warum
ziehen so viele Autoren den Reiseplot gegenüber anderen Handlungen
vor? Noch dazu, wenn es oftmals so wirkt, als wäre die Reise der
eigentliche Zweck der Handlung?
Anstatt
sich ein ganzes Land auszudenken, in dem bei näherer Betrachtung ein
grüner Hügel aussieht wie der andere, täten viele Autoren gut
daran, ihre Handlung lokaler anzusetzen und beispielsweise eine
einzelne Stadt oder ein Dorf – oder ein Haus! - mit Handlung zu
füllen. Anstatt einem Helden, der zigtausend Dinge über die Welt
lernen müsste, bevor er auch nur zum Jobinterview für die Stelle
als Weltenretter darf, könnten Autoren so mit einem Protagonisten
spielen, der jedes Fleckchen seiner Umgebung genau kennt, der
Vorteile gegenüber Fremden hat oder blind für die dunklen
Geheimnisse alter Freunde ist. Anstatt das Gefühl von Unvertrautheit
im Leser zu wecken, indem man den Protagonisten in die Fremde
verfrachtet, könnte man so die Fremde in das vertraute Umfeld
bringen.
Ein
kleinerer Handlungsrahmen bedeutet auch, dass weniger Charaktere zu
handhaben sind und der Autor ein wenig kreativer sein muss, wenn es
um Erzählperspektiven geht. Man muss nicht mal auf die reiche
Hintergrundgeschichte verzichten, die viele Autoren so gerne um ihre
Handlung stricken. Der einzige Unterschied ist, dass diese
Hintergründe für den Protagonisten nicht unbedingt neu sind und
damit, dass sie nicht als Exposition in Absatzlänge daherkommen,
sondern als ein verwobener Teppich aus kleineren und größeren
Details.
Das
soll nicht heißen, dass Reiseplots prinzipiell schlecht sind. Sie
sind nur totgetreten und den meisten Autoren fehlt die Gabe Tolkiens
für ausschweifende Landschaftsbeschreibungen.
„Dies
ist nicht das Ende, Mensch“, sagte der Schattenkönig mit seinen
letzten Atemzügen. „Die Welt wird sich meiner erinnern und ich
werde in sie zurückkehren!“
Kapitel
1: Tausend Jahre später.
Jeder, der schon
einmal Fantasy gelesen hat, ist schon einmal darüber gestolpert, ich
habe es auch schon verwendet und schäme mich auch Jahre später noch
dafür: ein Prolog, der eine halbe Ewigkeit vor der Handlung des
restlichen Buches spielt und lange Zeit keine Berührungspunkte mit
ihr hat. Was interessiert es uns, was der Schattenkönig vor einer
halben Ewigkeit gesagt hat, wenn wir die nächsten sechshundert
Seiten lang Timmy dem Bauernjungen begleiten, der Grodulf den Magier
zu den Königen des Lichts begleitet?
Selbst wenn der
Prolog (viel, viel, viel) später eine Rolle spielt, sollte man sich
fragen, ob es nicht bessere Methoden gibt, ihn in die Handlung
einzubringen. Volkslieder oder Legenden, die eine abgewandelte
Variante der damaligen Ereignisse erzählen? Eine heilige Schrift,
die mit religöser Rhetorik verklärt, was wirklich vorgefallen ist?
Natürlich muss man
sich dann andere Gedanken machen. Wie hat etwa eine Legende tausend
Jahre überleben können, wenn es kaum Schriftlichkeit in der Welt
gibt? Oder die vorherrschende Religion erst dreihundert Jahre alt
ist? Und wenn sie älter ist: wie hat sie so lange überdauert und
wieviele Elemente ihrer Geschichte wurden mit der Zeit verfälscht?
Aber: Alles ist
besser, als dem Leser mit einem Prolog einen Eindruck von der
Atmosphäre des Buches verschaffen oder Charaktere vorstellen zu
wollen, die in Band 1 der Trilogie gar keine Rolle spielen, nur um
ihn im ersten Kapitel direkt in ein völlig anderes Setting zu
zerren. Welchen Zweck hat ein Prolog, wenn er nicht in die Handlung
der Welt einführt, sondern bloß in ein abstraktes Element ihrer
(wenig einfallsreichen) Mythologie?
Überhaupt sollte
ein Autor sich immer fragen, ob eine Handlung überhaupt einen Prolog
nötig hat. Warum nicht direkt mit der Handlung des ersten Kapitels
anfangen?
Platz 10: Der Bauernjunge
Copyright: Lucasfilm |
Seht
ihn Euch an, unseren tapferen Helden. Aufgewachsen auf einem
Bauernhof, zwingt ihn der Ruf der Pflicht/des Abenteuers/des weisen,
aber schweigsamen Lehrmeisters, alles zurückzulassen, was er kennt
um seinem Schicksal zu folgen. Oder er bricht auf um Rache zu suchen,
nachdem der Dunkle Lordtm seine Familie/sein Dorf/sein
Lieblingshaustier getötet hat. Oder er ist ein Waisenkind, das die
anderen Kinder stets verprügelt und gehänselt haben. Nichts hält
ihn hier.
Eigentlich
gibt es schlimmere Klischees, aber der Bauernjunge, der in die Welt
zieht ist wohl eines der meist verwendeten und deshalb am stärksten
abgenutzten Klischees der Fantasy überhaupt. Aus
technischer Hinsicht bietet es sogar Vorteile: eine ausführliche
Hintergrundgeschichte des Protagonisten ist selten erforderlich,
schließlich ist er noch jung; ohne lebende Verwandte hat er keine
wirkliche Bindung zum Ort seiner Jugend und moralische Fragen kommen
so selten auf. Gleichzeitig nimmt sich aber der Autor
damit die Möglichkeit, dem Protagonisten durch geschickte Anwendung
dieser Elemente Tiefe zu verleihen oder Entscheidungen Tragweite.
Ich
möchte weniger Geschichten über Luke Skywalkers, Eragons und Rand
al'Thors lesen und mehr Protagonisten in der Mitte ihres Lebens, mit
Familien und Lebensgeschichten, die den Aufbruch erschweren, wie es
die Häscher des Dunklen Lordstm nie könnten.
Klinge
ich schon wie eine Platte mit Sprung? Denn ich sage es nochmal: ich
möchte menschliche Charaktere und weniger Copy&Paste aus The
Hero with a Thousand Faces.
(PS:
Auf die Anzahl der Waisenkinder-Bauernjungen-Protagonisten, die sich
als Wahre Erben des Thrones offenbaren, möchte ich an dieser
Stelle gar nicht weiter eingehen. Dieses Klischee ist so abgenutzt,
dass es überraschender wäre, sollte Timmy sich nicht als Sohn des
Königs herausstellen.)
Platz 9: Der weise, aber schweigsame Lehrmeister
Nicht so weise und nicht so alt. Aber wenigstens Jeremy Irons - Coypright: Fox 2000 Pictures |
Wenn
der Bauernjunge also von seiner weitreichenden Verwendung schon
abgenutzt ist, kann man durch den weisen Lehrmeister hindurch
inzwischen die Sonne sehen.
Auch
dieses Klischee ist eng mit Reiseplot und Bauernjunge verwoben: der
weise Meister rettet den Protagonisten vor dem sicheren Tod durch die
Schergen des Dunklen Lordstm. Oder er berichtet dem
Bauernjungen von seiner Aufgabe in der kommenden Schlacht von Licht
und Dunkel. Jedenfalls wird der Protagonist ihm früher oder später
in die Ferne folgen. Meistens stellt der Lehrmeister sich dann als
eine Art Obi-Wan Kenobi heraus oder eine vergleichbare Variation des
Gandalf-Archetypen. Seine Aufgabe ist es, dem Protagonisten (und
damit dem Leser) die Geschichte der Welt zu erzählen, bis jeder
wichtige Punkt abgearbeitet ist. Viel wichtiger aber: er ist oft das
Drosselungsventil der Handlung. Denn anstatt dem Protagonisten von
Anfang an alles zu erzählen, was er wissen muss (Der König ist mein
Vater? Der Dunkle Lord ist mein Vater? Die Magie war schon immer in
mir?), lässt der Lehrmeister die wirklich interessanten Fragen aus,
um auch ja das (erzwungene) Mysterium im Zentrum der Handlung
aufrecht zu erhalten. Nur wenn der Autor das Gefühl hat, es müsse
mal wieder etwas passieren (und der letzte Ork/Urgal/Trolloc-Angriff
noch nicht lange genug her ist), enthüllt er einige spärliche
Details. Fragen nach den wirklich wichtigen Einzelheiten schlägt er
ab, denn a) Dafür jetzt keine Zeit ist, oder b) Du bist noch nicht
bereit für dieses Wissen. Einen wirklichen Grund für die
Geheimniskrämerei gibt es selten. Was aber noch viel schlimmer ist:
Der Bauernjunge zuckt meist bloß mit den Schultern, anstatt sich
eigenständig Gedanken zu machen. Er puzzelt sich nie selbst
Antworten zusammen und noch seltener zweifelt er an seinem
Lehrmeister, obwohl ein normaler Mensch sich längst fragen würde,
warum er keine Antworten gibt, ob er etwas verbergen will und ob das
ausgelassene Wissen nicht auf eine Gefahr für den Protagonisten
schließen lässt. Denn wenn es wirklich um die Rettung der Welt
ginge, sollte man meinen, dass nichts dringender sei, als dem
zukünftigen Weltenretter in spe so bald wie möglich alles zu
erzählen, was auch nur entfernt wichtig werden könnte.
Nächste Woche: die Plätze 8 bis 5.
Donnerstag, 2. Mai 2013
Über das Schreiben I - Schreibblockaden
Jeder Autor hat sie irgendwann einmal gehabt - Schreibblockaden. Sie lassen uns zweifeln und verzweifeln, an unseren Texten, unseren Ideen, unserem Talent, können die perfekte Handlung wie ein Kartenhaus zusammenfallen lassen und jedes noch so durchgeplante Projekt zum Stillstand bringen.
Dabei gibt es ein paar kleine Kniffe, mit denen man - wenn man sie nicht vollkommen überwindet - einer Schreibblockade zumindest ein wenig Paroli bieten kann.
Die Angst vor der leeren Seite - by caprisco |
Vor etwa einem Jahr, inmitten eines umfangreicheren Projekts, hat es mich erwischt: Schreibblockade. Absolute Vollsperrung. Nichts ging mehr. Jeder Versuch, etwas zu Papier zu bringen erzeugte bloß Absatz um Absatz an hohlem Geblubber, Wörter und Sätze, die nicht zueinander finden wollten, sofern ich denn überhaupt etwas schrieb. Oftmals blieb die Seite vor mir einfach leer, blank, drohend. Ich war kurz davor die knapp dreihundert Seiten, die ich bereits produziert hatte, zu löschen, neu anzufangen - oder ganz aufzugeben. Heute bin ich froh, nicht derart überreagiert zu haben. Eine Schreibblockade ist nämlich selten die Katastrophe, die sie zu sein scheint.
Indem man die Gewohnheiten und Methoden ändert, nach denen man für gewöhnlich arbeitet, durch regelmäßige Übung und letztlich durch die Demystifizierung des Schreibrpozesses kann selbst die schlimmste Blockade überkommen werden. Auch wenn es lange Zeit dauern kann.
Wenn man in einer Schreibblockade steckt, ist es selten die schlechteste Idee, sich genau anzusehen, wo oder wann man schreibt. Es ist kein Geheimnis, dass man in der Psychologie Personentypen danach unterscheiden kann, zu welcher Zeit sie am effektivsten Arbeiten. Ein Nachtmensch wird deshalb Probleme haben, genug Kreativität zur Mittagszeit aufzubringen, jemand anders kann nach acht Uhr abends keine zusammenhängenden Sätze bilden. Wenn also das Schreiben zu einer Tageszeit nicht klappt, schadet es nicht, den Arbeitsrhythmus ein wenig umzustellen.
Genauso kann es hilfreich sein, den Schreibtisch hinter sich zu lassen und zu versuchen, an einem anderen Ort zu schreiben. Vielleicht findet man in einer neuen Umgebung auch neue Inspiration. Nicht selten sind nämlich die Wurzeln einer Schreibblockade mit der Langeweile verbunden, die man angesichts allzu bekannter Orte empfindet. In diesem Fall ist sie oft schlicht ein Signal, sich einen neuen Weg, eine neue Richtung zu suchen, ausgetretene Pfade zu verlassen - in der Welt und im Manuskript.
Tools of the Trade - by ManicMorFF |
Inspiration ist wichtig. Soweit nichts Neues. Aber eine Schreibblockade muss nicht unbedingt bloß ein Mangel an Inspiration sein. Man kann so inspiriert sein, wie man will, endlich jene Kurzgeschichte zu schreiben, die einem schon ewig im Kopf herumgeistert, oder diesen Roman anzufangen, von dem man schon so lange träumt, wenn man Probleme hat, die Gedanken in Worte auf Papier zu bannen. Deshalb ist es wichtig, seine Fähigkeit zu Schreiben zu trainieren, schlicht, indem man schreibt, anstatt endlos über die Motivation von Charakter X oder Plotwendung Y nachzudenken. Sicherlich ist Schreiben eine Kunst, aber es ist auch ein Handwerk; nur durch regelmäßige Anwendung dieser Fähigkeit, lernen wir, wie Probleme, wie die Schreibblockade, zu umschiffen sind. Je vielfältiger die Mittel im eigenen Inventar um solche Probleme anzugehen, desto leichter kann man sich aus
Überhaupt ist der Glaube, Inspiration sei alles, man müsse nur auf den Kuss der Muse warten, ein unterschätzter Stolperstein. Natürlich ist Inspiration wichtig, aber sie ist längst nicht der einzige Faktor beim Schreiben. Oftmals rührt eine Schreibblockade nämlich daher, dass man ewig auf besagte Muse wartet, damit sie einem einen kurzen Blick auf diesen einen, perfekten Satz ermöglicht, dem man nun seit Wochen hinterherjagt.
Von dieser Idee sollte man sich lösen. Manchmal gibt es kein anderes Mittel gegen Blockaden, als sich einfach hinzusetzen und Satz um Satz, Seite um Seite herunterzuspulen, und sich nicht zuviele Gedanken um Qualität zu machen. Zeit für eine Überarbeitung ist später immer noch, umso mehr, wenn man nicht Tag um Tag damit vertrödelt, auf das Eingreifen einer schwer fassbaren, mystischen Kraft zu warten.
Eine Schreibblockade ist nicht das Ende der Welt, weder der um uns herum, noch der auf dem Papier (oder dem Bildschirm) vor uns. Sie kann auf verschiedene Weisen überwunden werden, doch sie alle verlangen, dass der Autor nicht herumsitzt und darauf wartet, dass die Dinge von selbst ins Reine kommen, sondern dass er die Zügel in die Hand nimmt und (in unbekanntes Land?) voranprescht.
In dieser Hinsicht ist eine Schreibblockade nicht anders als andere Hindernisse im Leben, denn auch die Kunst verlangt Initiative von denen, die sie schaffen wollen - und Schreiben, in allen Formen und Varianten, ist da keine Ausnahme.
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